Objekt des Monats

Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.

November 2022

Löffel

Material

Metal

Schenkung

Jelisaweta Kozak

odm_nov22_kozak1

Historische Einordnung

Am 7. (nach dem gregorianischen Kalender: 20.) November 1917 erlässt die Zetralrada (Zentralrat), ein repräsentatives Organ der ukrainischen Nationalbewegung, ihren III Universal (Rechtakt), in dem die Gründung der „Ukrainischen Volksrepublik“ (UVR) verkündet wird. Damit entsteht zum ersten Mal ein ukrainischer Nationalstaat, der jedoch international nur wenig Anerkennung findet. Bald darauf beginnt im ganzen ehemaligen Russischen Reich ein Bürgerkrieg, bei dem sowohl die in der Hauptstadt regierende Bolschewiki (die „Roten“) als auch die verschiedenen an der Peripherie agierenden Gegner der Sowjetmacht (die „Weißen“) die Unabhängigkeit der Ukraine nicht anerkennen. Erst findet die von linksnationalistischen Kräften dominierte UVR die Unterstützung von Mittelmächten, die jedoch bereits im April die Zentralrada gewaltsam auflösen und die konservative Militärdiktatur von General Pawlo Skoropadskyj installieren. Danach lebt die UVR kurz auf, doch sie hat nur relativ schwachen Rückhalt in der Bevölkerung und wird bis 1920 zwischen den Roten, den Weißen und dem neuentstandenen polnischen Staat zerrieben. Die UVR-Regierung agiert im Exil, bis die Sowjetrepublik Ukraine 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt.

Heute wird der Souveränität der Ukraine durch Russland unter anderem mit dem Verweis auf die mangelnde nationalstaatliche Tradition und Veränderungen der politischen Grenzen der Teilrepublik Ukraine in der sowjetischen Zeit zur Disposition gestellt.

Kurzbiographie

Jelisaweta Kozak (Kosak) wurde 1985 in einem kleinen ukrainischen Dorf als Tochter eines Diplom-Landwirtes und einer Lehrerin geboren. Sie studierte Jura in der Stadt Saporischschja, wo sie bis zum Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 arbeitete. Zu Beginn der russischen Invasion befand sie sich im Skiurlaub in den Karpaten. Zusammen mit ihrer Freundin überquerte sie die Grenze zur EU und kam zehn Tage später in Bremen an. Das Gebiet Saporischschja ist bis heute umkämpft. Teile davon wurden am 30. September 2022 von der Russischen Föderation annektiert.

Bedeutung des Objekts

Zunächst fand Jelisaweta Kozak das Geschenk zu kitschig, das ihre Eltern ihr aus dem Urlaub mitbrachten – ein Löffel mit ihrem eingravierten Namen. So blieb des Besteckteil längere Zeit unbenutzt. Doch dann nahm sie es in den Skiurlaub mit, um unter Outdoorbedingungen die Löffel besser auseinanderhalten zu können. Nach der Flucht über die Grenze reiste der Löffel nach Bremen mit und befindet sich nun in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses. Es ist somit kein bewusst ausgesuchtes Andenken, sondern gehört gerade durch den Zufall zu den wenigen mitgebrachten Sachen aus Jelisawetas Herkunftsland. Die genaue Anzahl von Menschen, die in dem Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine auf der Flucht sind, lässt sich nur schätzen. Anfang Mai ging die UNO von 4,4 Millionen Geflüchteten und 7,7 Millionen Binnenflüchtlingen aus.

Haben auch Sie …

… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0

oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de

Archiv: Bisherige Objekte des Monats