Forschen

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Migration ist nicht nur ein komplexes und sensibles Thema, das alle Bereiche menschlichen Lebens und unterschiedlichste gesellschaftliche Konflikte berührt. Es ist ein Thema, das lange unbeachtet in der deutschen Geschichtsschreibung geblieben ist. So ist es uns wichtig, die Ergebnisse zugänglich zu machen: etwa durch (Sonder-)Ausstellungen, Publikationen oder auch durch Dokumentarfilme.

In der Forschung des Deutschen Auswandererhauses stehen Migrationsursachen, Flucht und Vertreibung sowie Prozesse der Integration im Mittelpunkt. Warum gehen Menschen freiwillig in ein fremdes Land? Was macht es zu einem unfreiwilligen Weggang, die Entscheidung zur Flucht? Wenn es ein Ankommen gibt, wie gestaltet es sich wirtschaftlich, sozial, sprachlich und kulturell für die Einwandernden? Was bedeutet die Migration für Kinder und Enkel? Und welche Voraussetzungen braucht das Einwanderungsland, um eine Integration erfolgreich zu gestalten?

Bei ihren Fragen orientiert sich die Forschung an Zielorten, Identitäten und geteilten Schicksalen, wie etwa die Betroffenen der antisemitischen Verfolgung in Deutschland oder Nachfahren deutscher Auswanderer:innen ins zaristische Russland. Deutschland als Ausgangspunkt und Zielort der Migration, insbesondere über den Seeweg, wird dabei immer wieder Teil der Fragestellung.

Dabei kooperieren die Forschenden des Deutschen Auswandererhauses mit anderen Wissenschaftler:innen und versuchen, wenn möglich, mit den Akteur:innen und Zeug:innen selbst ins Gespräch zu kommen: Menschen mit Migrationserfahrungen und ihren Angehörigen. Die persönliche Geschichtserfahrung in Briefen, Tagebüchern und direkten Schilderungen spielt dabei eine besondere Rolle.

Dabei besteht der Anspruch, die Biographien, Sammlungsstücke und die Ergebnisse der Forschung besonders sorgsam zu behandeln. Den persönlichen Leistungen, Erfahrungen und Traumata der Migrierten soll mit Anerkennung und Respekt begegnet werden und ihre gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung in den Ankunftsländern Würdigung erfahren.

Forschungsprojekte

Auswahl aus den letzten Jahren im Deutschen Auswandererhaus:

2020

förderte und publizierte das Museum eine Dissertation zum Thema „Überfahrtsbedingungen für Seereisende und ihre Grenzerfahrungen“, deren Quellen zum Teil aus der Sammlung Deutsches Auswandererhaus stammen.

2018

begann im Rahmen des bundesweiten, von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Verbundprojektes „museum4punkt0 – Digitale Strategien für das Museum der Zukunft“ die Entwicklung einer Ausstellung auf die Forschungsfrage hin, ob Virtual Reality dabei helfen kann, kulturhistorisches Wissen und Emotionen zu vermitteln. Die Studie, die die Auskünfte von mehr als 700 Teilnehmer:innen auswertet, wurde 2019 publiziert.

2018

wurde eine Studie zum Heimwehgefühl durchgeführt, die einerseits qualitative Interviews mit Studierenden, andererseits quantitative Multiple Choice-Befragungen auswertet.

2017

initiierte und veranstaltete das Deutsche Auswandererhaus eine Tagung zum Forschungsthema „Rituale in der Einwanderungsgesellschaft“.

2016

wurde im Rahmen des BKM-geförderten Projekts „Forum Migration“ das migrationsbezogene Wissen von Besucher:innen vor und nach dem Besuch des Museums in qualitativen und quantitativen Befragungen untersucht. Die Ergebnisse wurden 2017 publiziert.

2015

führte das Deutsche Auswandererhaus ein komparatives Forschungsprojekt durch, verglich die Aufnahme von Süddeutschen, die 1709 nach London migrierten und von der britischen Königin freies Land in nordamerikanischen Kolonien forderten, mit der Aufnahme türkischer Gastarbeiter:innen in der Bundesrepublik ab 1961.

2011

erfolgte ein Projekt zu Flüchtlingen und Asylbewerber:innen in Deutschland, das seit 2015 durch ein Projekt zu syrischen und afghanischen (Bürgerkriegs-)Flüchtlingen ergänzt wird.

2009

forschte ein Wissenschaftler:innen-Team des Museums zum Thema Umweltmigration in New Orleans: Was wurde aus den Menschen, die wegen des Hurrikans Katrina die Stadt verlassen mussten? Dazu fand eine Forschungsreise nach New Orleans statt, es wurden vor Ort Interviews mit Betroffenen, Historiker:innen und Politiker:innen geführt.

2008

wurde ein Projekt zu jüdischen Flüchtlingen und untergetauchten nationalsozialistischen Verbrechern durchgeführt, die Ende der 1940er-Jahre in Buenos Aires oft nebeneinander lebten.

2005

widmete sich das neu eröffnete Deutsche Auswandererhaus in seinem ersten Forschungsprojekt deutschsprachigen Schriftsteller:innen im kalifornischen Exil zwischen 1932 und 1941.

Kalliope Preis für praxisnahe Migrationsforschung

Wer die Welt erforscht, wird alleine schnell an die Grenzen seiner menschlichen Möglichkeiten geraten. Deswegen fördern seit 2015 die Stiftung Deutsches Auswandererhaus und das Deutsche Auswandererhaus alle zwei Jahre Wissenschaftler:innen und Forschungsprojekte, deren Ergebnisse Kultur- und Bildungseinrichtungen helfen, Migration nachhaltig und global zu vermitteln. Dabei werden wissenschaftliche Arbeiten und (Universitäts-)Projekte zur Einwanderung nach Europa oder zur europäischen Auswanderung nach Übersee unterstützt.

Der Kalliope-Preis für praxisnahe Migrationsforschung soll die Zusammenarbeit zwischen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Museen fördern und Geschichte zu einem geteilten Kulturgut und zur Grundlage einer demokratischen Gesellschaft mit einem Bewusstsein für ihre historische und gesellschaftliche Verantwortung reifen können.

Das Preisgeld, das mittlerweile 20.000 Euro beträgt, stiftete mit Dr. Joachim Ditzen-Blanke ein langjähriger Förderer und großzügiger Unterstützer des Deutschen Auswandererhauses.

Partner:innen und Netzwerke

Auch eine rege Vernetzung mit andere Forschungseinrichtungen und Museen zum Thema Migration pflegt das Deutsche Auswandererhaus:

Association of European Migration Institutions (AEMI)
- International Network of Migration Institutions (INMI) der United Nations Alliance of Civilizations UNAOC
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg (BAMF)
The MeLa* Project „European Museums in an Age of Migrations“
Universität Osnabrück, Institut für Migration und Interkulturelle Studien (IMIS)
International Council of Museums (ICOM)
Deutscher Museumsbund (DMB)
- AK Migration im Deutschen Museumsbund
- Ausschuss „Außerschulisches Lernen“ im Didacta Verband der Bildungswirtschaft
Ellis Island, National Monument USA
Canadian Museum of Immigration at Pier 21, Halifax, Kanada
Jüdisches Museum Berlin
Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven
Arbeitskreis Migration und Flüchtlinge, Nord-Süd-Forum Bremerhaven e. V.

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Dialog Migration

Seit mehr als 15 Jahren führen wir am Deutschen Auswandererhaus Besucher:innenbefragungen durch. Bisher haben wir die Befragungen vor allem genutzt, um unsere Ausstellung stetig zu verbessern. Doch jetzt gehen wir einen Schritt weiter: Im Rahmen des bundesweiten Verbundprojektes „museum4punkt0 – Digitale Strategien für das Museum der Zukunft“ haben wir das neue Portal „Dialog Migration“ eingeführt und bitten nun unsere Besucher:innen sowohl auf der Webseite als auch im Museum, uns ihre Meinung zu persönlichen und gesellschaftlichen Migrationsthemen mitzuteilen. Wir freuen uns, wenn Sie sich an unseren Umfragen beteiligen und damit die Forschungsarbeit am Deutschen Auswandererhaus unterstützen – denn das Meinungs- und auch Spiegelbild der Gesellschaft ist für uns ein relevanter Faktor auch mit Blick auf die Vermittlung von Migrationsgeschichte.