Moschter-Fassade-COPYRIGHT-DEUTSCHES-AUSWANDERERHAUS

Rudolf Möschter

* 1908 in Hohndorf (heute Górczyca, Polen)

ⴕ 1997 Bremerhaven

Einwanderung nach Bremerhaven: 1945

Als Erna Möschter mit ihren Kindern an Heiligabend 1948 am Ende ihrer Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone in Weddewarden ankam, traf sie ihren Mann Rudolf nicht an. Er war zum Bahnhof gefahren, um seine Familie abzuholen und hatte sie verpasst. Rudolf Möschters jüngste Tochter Anne Breitlauch, zu diesem Zeitpunkt vier Jahre alt, erinnert sich heute an den Moment: „Das Lager, das hatte noch einen Wachposten und es hatte ein bisschen geschneit. Und dieses Bild, das habe ich vor Augen: dass wir an dieses Wachhäuschen rangegangen sind, meine Mutter gesagt hat, wer wir sind. (…) Das sind meine ersten Eindrücke von Bremerhaven.“

Rudolf Möschter war bereits seit dem Sommer 1945 in Weddewarden, zunächst als Kriegsgefangener, dann arbeitete er als Housekeeper für die amerikanischen Streitkräfte auf dem dortigen Flugplatz. Bis 1948 musste er alle zwei Monate seinen Aufenthalt erneut genehmigen lassen.

13.-Rudolf-Moschter-(rechts!)

Rudolf Möschter (rechts) 1948 mit seinem Sohn Werner

Zurückkehren auf seinen Hof in Hohndorf konnte Rudolf Möschter nicht – Schlesien gehörte seit 1945 zu Polen. Für die Familie bedeutete das eine nach dem Krieg weitere Jahre andauernde Trennung, denn Erna Möschter musste mit ihren inzwischen fünf Kindern zunächst auf dem Hof wohnen bleiben, um den neuen Eigentümer zu unterstützen. Erst im Mai 1947 gelangte die Familie über Sachsen ins Lager Rudolstadt in Thüringen, von dort nach Meuselbach. Über einen Verwandten in Berlin machte Rudolf Möschter seine Familie dort ausfindig. Im Sommer 1948 floh Rudolfs ältester Sohn Werner mithilfe von Schleppern nach Bremerhaven. Für Erna Möschter und ihre vier anderen Kinder bekam Rudolf zwar im Herbst desselben Jahres die Zuzugsgenehmigung nach Bremerhaven. Da die Behörden der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Erna Möschters Ausreise jedoch verhinderten, floh sie im Dezember 1948 ebenfalls mithilfe von Schleppern aus der SBZ. Das Lager an der Wurster Straße 298, in dem die Familie an Weihnachten ankam, blieb noch für mehrere Jahre ihr Zuhause.

Rudolf Möschter war, im Gegensatz zu vielen anderen Geflüchteten, kein Freund von Vertriebenenverbänden, die die ehemaligen deutschen Ostgebiete von Polen zurückforderten. Für ihn war der Verlust des Hofs die Konsequenz aus Deutschlands Verhalten im Zweiten Weltkrieg. Mit der alten Heimat schloß er ab. Das fiel ihm offenbar leichter als seiner ältesten Tochter Christa, die sich noch Jahrzehnte später in die Heimat ihrer Kindheit zurücksehnte. Christa warf ihrem Vater zudem Zeit ihres Lebens vor, dass er sich überhaupt 1941 mit Anfang 30 freiwillig zum Militärdienst und damit der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg meldete – schon damals hatte er Frau und vier kleine Kinder, die er auf dem schlesischen Hof zurückließ. Die Familie erklärt sich heute seine freiwillige Meldung als Soldat damit, dass er dem Druck aus der kleinen Dorfgemeinschaft nicht mehr gewachsen war.

Neuanfang in Leherheide

Anne Breitlauch und ihr Mann berichten heute, dass nicht alle in Bremerhaven den Geflüchteten aufgeschlossen gegenüberstanden. Insbesondere der Anspruch auf Mittel aus dem Lastenausgleich rief Neid hervor. Auch Rudolf und Erna Möschter beantragten diese Mittel, auf die sie wegen des Verlusts ihres schlesischen Hofs Anspruch hatten. Mit dem Geld begannen sie 1957 ein Haus in Leherheide zu bauen.

Das Haus in Leherheide war bis zu Rudolf Möschters Tod 1997 auch der allsonntägliche Treffpunkt für die Familie. Erna Möschter buk zu diesem Anlass jedes Wochenende schlesische Blechkuchen und Enkelin Inga nutzte die Sonntage, um alte „Zauberkisten“ zu durchforsten; die darin aufbewahrten Familienfotos aus Schlesien faszinierten sie. Dank Inga Herrmanns fortwährendem Interesse an ihrer Familiengeschichte ist heute so viel über Rudolf Möschters Leben bekannt.