Objekt des Monats

Jedes Objekt in der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses erzählt eine ganz persönliche Auswanderungs- oder Einwanderungsgeschichte. In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jeden Monat ein anderes Objekt vor – eine Fotografie, ein Dokument oder ein persönliches Erinnerungsstück.

Februar 2022

Schellackplatte aus dem Jahr 1926

Material

Schellack, Gesteinsmehl, Ruß, Füllstoff

Maße

Schallplatte:Durchmesser: 30,0

Hülle: 38,0 cm x 33,5 cm x 2,0 cm

Schenkung

Jürgen Meyer

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Historische Einordnung

Die ersten deutschamerikanischen Männergesangsvereine entstanden Mitte der 1830er Jahre, rund 20 Jahre nach ihrem Vorbild in den deutschen Städten. Im Zuge der deutschen Masseneinwanderung seit den 1840er Jahren entstand das Bedürfnis, die zahlenmäßig wachsenden Vereine in überregionalen Verbänden zusammenzuschließen und wiederkehrende Feste zu veranstalten. Diese „Saengerfeste“ fanden seit 1882 regelmäßig alle drei Jahre statt und erreichten auf dem Höhepunkt ihrer Bedeutung in der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg im Falle des Nordöstlichen Sängerbundes (mit Vereinen von Maryland bis Massachusetts) bis zu 6.000 (aktiven) Teilnehmern. Die zugehörigen „Volksfeste“ zählten Zehntausende Besucher:innen. Kriegsbedingt entfiel das Sängerfest von 1918. In den 1920er Jahren wieder fortgeführt, setzte der dreijährige Turnus nach einer zwölfjährigen Unter­brechung 1950 wieder ein. Auch heute finden in den USA noch – in deutlich bescheidenerem Umfang – „Saengerfeste“ statt.

Kurzbiographie

Die Aufzeichnung ist am 22. Juni 1926 im Rahmen des 26. Nationalen Saengerfestes in Philadelphia entstanden. Aufnahmeort war das Auditorium auf dem Gelände der Weltausstellung, die zur gleichen Zeit in Philadelphia anlässlich des 150. Jubiläums der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung stattfand. Die offizielle, rund 650 Seiten starke Publikation zur Weltausstellung enthält auch eine kurze Beschreibung dieses Sängerfestes: 

The concerts were given by local and visiting singers. Those who participated had been rehearsing for months and the local organizations made every effort to make the occasion notable. Approximately 10,000 persons heard this massed chorus of 3000 male voices under the direction of Emil F. Ulrich. On the night of June 21, the German Ambassador and the Minister of Austria were seated in places of honor on the stage.

Was dieser Massenchor aus Vereinen des Nordoestlichen Saengerbundes vor fast hundert Jahren sang, kann dank der Aufzeichnung auf Schellackplatte noch heute gehört werden. Wer es sich mit eigenen Ohren vergegenwärtigen möchte, kann es hier tun! Die dort digitalisierte Aufzeichnung ist die eines anderen Liedes aus der gleichen Aufzeichnungssession.

Bedeutung des Objekts

Die deutschen „Saengerfeste“ dienten der symbolischen Vereinigung von Menschen unterschiedlicher regionaler Herkunft mit entsprechend verschiedenen deutschen Dialekten. Die Bewahrung und Pflege der eigenen Muttersprache im und über den Gesang ist bei vielen Einwanderungsgruppen zu beobachten; bei Deutschamerikanern gehörte es zusätzlich zum mitgebrachten Selbstbild einer spezifischen „deutschen Innerlichkeit“, die sich im „Kunst-“ und „Volkslied“ ihre besondere Form gegeben habe. Dieses Selbstbild verschaffte vielen Deutschamerikanern eine Abgrenzungsmöglichkeit gegenüber dem vermeintlich „seelen-“ und „kulturlosen“ anglo-amerikanischen „Pragmatismus“ – Klischees, die weit über das 19. und frühe 20. Jahrhundert hinaus Bestandteile deutscher Ideologie gewesen sind. Sich die „Muttersprache“ zu bewahren kann eben auch heißen: in deren Vorurteilen befangen zu bleiben.

Haben auch Sie …

… eine Aus- oder Einwanderungsgeschichte Ihrer Familie zu erzählen und möchten diese mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergeben? Dann kontaktieren Sie bitte Dr. Tanja Fittkau unter der Rufnummer 0471 / 90 22 0 – 0 oder per E-Mail unter: t.fittkau@dah-bremerhaven.de

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